01. Juli 2025

Objekt des Monats Juli 2025 Objekt des Monats Juli 2025

Ein Objekt – zwei Zuschreibungen? Das Edelstahlrelief von Günter Ferdinand Ris

Ein Objekt – zwei Zuschreibungen? Das Edelstahlrelief von Günter Ferdinand Ris

Objekt des Monats Juli 2025
Objekt des Monats Juli 2025 - Relief aus Edelstahl von Günter Ferdinand Ris (fälschlich dem Viktoriabad in Bonn zugeschrieben) © KHI Bonn
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Titel: Relief aus Edelstahl von Günter Ferdinand Ris (fälschlich dem Viktoriabad in Bonn zugeschrieben)

Urheber:in der Fotografie: Unbekannt

Entstehungszeit der Aufnahme: 1970

Technische Angaben: S/W-Abzug, Blattmaß 24,7 x 31,8 cm, Bildmaß 15,3 x 19 cm

Provenienz: Eingang im Kunsthistorischen Institut im Inventarbuch am 12.08.1975 vermerkt

Inventarnummer: 055074

 

Kommentar:

Aufgrund einer einschränkenden Kriegsverletzung begann Günter Ferdinand Ris (1928–2005) seine künstlerische Karriere in der Malerei; ab 1953 arbeitete er non-figurativ und konstruktivistisch. Seine plastischen Werke zeichnen sich durch die vielfältige Verwendung traditioneller Werkstoffe wie Bronze und Marmor, aber auch neuer Materialien wie Zement, Kunststoff, Porzellan und Edelstahl aus.[1]

Das gezeigte Foto des Edelstahlreliefs stellt jedoch nicht, wie von der Beschriftung zugeschrieben, das Relief der sogenannten „Bonner Wand“ im Viktoriabad dar. Tatsächlich handelt es sich um das Modell des Reliefs „Flächenraum I.“ von 1970, dessen Ausführung am Freizeitzentrum in Lübeck-Moisling angebracht ist.[2] Bemerkenswert ist auch, dass die Spezifizierung als Modell nicht auf der Pappe vermerkt wurde, da eine solche Aufnahme auf schwarzem Grund vom „Original“ mit einer Größe von 5 x 3,9 Metern nur schwer möglich wäre. Die Reliefs sind sich im Typus allerdings sehr ähnlich: Beide scheinen Bewegungen der Oberfläche darzustellen, die im wechselnden Verhältnis von Wulst und Kehle in asymmetrischen Wellenbewegungen auseinander streben. Die von Ris angestrebte architektonische Integration des Reliefs wird in Lübeck kaum erreicht, das Bonner Relief schafft hingegen einen Übertrag der hintergründigen Fugen auf die horizontale Teilung des Reliefs. Trier beschrieb das Lübecker Relief als Vereinigung der Leitmotive des Künstlers, das Hinein- und Hinausführen räumlicher Bewegungen, das Verklammern und Verschränken einzelner Elemente sowie rhythmischer Kontur. Signifikant ist der tiefe Spalt, der die horizontale Gliederung mit scharfer Präzision teilt. Das polierte Metall sorgt dafür, dass weder die Handschrift des Künstlers noch die Oberflächenbeschaffenheit in den Vordergrund treten, sondern die dynamische Wirkung sich auf die Fläche überträgt.[3]

Eduard Trier, der 1972 den Bonner Lehrstuhl für Kunstgeschichte von Heinrich Lützeler übernahm, zeichnete sich in seiner Arbeit durch die Nähe zu zeitgenössischen Künstlern aus.[4] So pflegte er auch mit Ris eine enge Freundschaft, wie er in einem Brief an Lützeler beschrieb: „ich kenne Ris seit seinen Anfängen, habe ihn wohl auch dazu ‚veranlaßt‘, in die Bildhauerei zu gehen und ihn 1966 auf der Biennale Venedig ausgestellt. All das hat dazu geführt, daß wir gut befreundet sind und in eine Art von Komplizenschaft gerieten.“[5] In seinem Seminar „Architektur und Bildende Kunst“ im Wintersemester 1975/76 thematisierte Trier das Relief am Viktoriabad.[6] Der Eintrag des Abzugs im Inventarbuch ist auf den 12. August 1975 datiert – vermutlich wurde er also (als Vorlage) zur Vorbereitung des Seminars angekauft oder reproduziert. Offen bleibt, warum das Foto der Plastik in diesem Zusammenhang falsch identifiziert wurde – womöglich fiel dies nicht auf, da das entsprechende Referatsthema nicht vergeben wurde.[7]

Das Objekt des Monats steht exemplarisch für die Forschungsinteressen Eduard Triers und ist zugleich Exponat der Ausstellung „Abbild der Zeit. Die Moderne und ihre Kunst in der Fotosammlung des KHIs“, die mit ihrer Eröffnung am 17. Juli 2025 erstmals die Geschichte der Fotosammlung nach 1945 präsentiert. 

Jasmin Roth

 

Anmerkungen: 

[1] Ausst.-Kat. Bonn 1965, o. S.; Trier 1971, S. 5f., 14; Heusinger von Waldegg 1994, S. 28.

[2] Das Foto aus der Sammlung ist in Ebd., S. 33 und von Brauchitsch 2002, S. 73 mit leichter Variation in Format und Qualität zu finden. Für eine vergleichbare Aufnahme des Modells vom Viktoriabad, siehe Heusinger von Waldegg 1994, S. 34 oder von Brauchitsch 2002, S. 75. Da die Angaben im Abbildungsnachweis die Urheber zusammenfassen, ist der/die Fotograf:in nicht eindeutig identifizierbar.

[3] Trier 1971, S. 15, 20; Ausst.-Kat. Lübeck 1973, S. 78-80; Heusinger von Waldegg 1994, S. 30, 34; Stemmler 1972, o. S.

[4] So schrieb Trier in einem Brief vom 13. Januar 1973 an Heinrich Lützeler: „Aber Sie werden sowieso bemerkt haben, daß ich auf Grund vieljährigen Umgangs mit und unter Künstlern dazu neige, mit den Künstlern gemeinsame Sache zu machen.“ Stadtarchiv Bonn, SN 117-116 (2).

[5] Stadtarchiv Bonn, SN 117-116 (2), Brief von Eduard Trier an Heinrich Lützeler vom 02.01.1972. Trier lobte bereits die konkrete Malerei Ris‘ im Rahmen der Gastausstellung in der Galerie Denis René in Leverkusen 1954: „Solche künstlerischen Prinzipien sind in unserem Lande verhältnismäßig selten und daher nicht sehr populär, obwohl auch wir früh mit ihren ersten Ausformungen in Berührung kamen.“ (zitiert nach von Brauchitsch 2002, S. 15f.) Zudem bezog sich Trier nicht nur in „Figur und Raum. Die Skulptur des XX. Jahrhunderts“ auf die Werke des Künstlers, sondern publizierte auch die erste Monografie zu Ris im Jahr 1971.

[6] Archiv des Kunsthistorischen Instituts, Karton 8, Mappe 3.

[7] Ebd.

 

Literatur:

Ausst.-Kat. Bonn 1965
G. F. Ris. Plastiken, hg. von Städtische Kunstsammlungen Bonn (Ausst.-Kat. Bonn, Städtische Kunstsammlungen, 14.05.-20.06.1965), Bonn 1965

Ausst.-Kat. Lübeck 1973
G. F. Ris. Bilder, Skulpturen, Zeichnungen, Entwürfe, hg. von Amt für Kultur Lübeck (Ausst.-Kat. Lübeck, Museum am Dom, 03.06.-30.09.1973), Lübeck 1973

Heusinger von Waldegg 1994
Joachim Heusinger von Waldegg: G. F. Ris, Frankfurt 1994

Stemmler 1972
Dierk Stemmler: Zu dieser Ausstellung, in: G. F. Ris. Paysage Architectural, neue Plastiken, hg. von Stemmler, Dierk (Ausst.-Kat. Bonn, Städtische Kunstsammlungen, 22.08.-15.10.1972), Bonn 1972, o. S.

Trier 1971
Eduard Trier: G. F. Ris, Recklinghausen 1971

von Brauchitsch 2002
Boris von Brauchitsch (Hrsg.): G. F. Ris. Das plastische Werk 1958-2001, Köln 2002

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