22. April 2025

Objekt des Monats April 2025 Objekt des Monats April 2025

Fotografie der Gopuras der Tempelanlage Mīnāksī in Indien

Fotografie der Gopuras der Tempelanlage Mīnāksī in Indien

Objekt des Monats April 2025
Objekt des Monats April 2025 - Gopuras aus dem Komplex des Mīnāksī-Tempels in Indien © KHI
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Urheber:in der Fotografie: Fotostudio Wiele & Klein

Entstehungszeit der Aufnahme: um 1900

Technische Angaben: Gelatineabzug, 22,3 x 27,6 cm

Provenienz: unbekannt

Inventarnummer: 481027

 

Kommentar: 

Die Kassette mit 74 teilweise verblichenen Fotografien aus der Zeit um 1900 gelangte vermutlich in den 1960er Jahren über Heinrich Lützeler (1902–1988), der von 1946 bis 1970 ordentlicher Professor am KHI war, an das Kunsthistorische Institut in Bonn.[1] Lützelers Interessen waren breit gefächert, was sich über viele Jahre in seinem Lehrangebot an der Universität Bonn niederschlug. So gründete er 1967 die Forschungsstelle für Orientalische Kunstgeschichte.[2] Die Aufnahmen der Kassette zeigen vorwiegend Baudenkmäler des Orients. Im Rahmen eines Masterkolloquiums unter der Leitung von Prof. Georg Satzinger wurden die teilweise unbeschrifteten Fotografien bestimmt, katalogisiert und inhaltlich erschlossen. So entstand die Ausstellung Ägypten – Südindien – Heiliges Land – Türkei. Stationen einer Orientreise um 1900, die vom 12. Juni bis 12. Juli 2012 im Institut für Kunstgeschichte und Archäologie der Universität Bonn gezeigt wurde.[3]

Die Aufnahmen sind Zeugnisse typischer Orientreisen der Jahre vor und um 1900, die beispielsweise nach Ägypten, Palästina, Jerusalem, Damaskus, Konstantinopel und Ceylon führten. Sie waren oft von der Sehnsucht nach exotischen Bildern wie denen der Erzählsammlung Tausendundeine Nacht getrieben. Der europäische Komfort wurde bei diesen Reisen jedoch nicht aufgegeben. Die Tourismusindustrie sorgte für europäische Transportunternehmen, Hotels, Restaurants, Kulturangebote und medizinische Versorgung. So blieben die Reisenden schließlich unter sich.[4] Die Authentizität der Fotografien ist daher kritisch zu hinterfragen. Zweifellos handelt es sich um eindrucksvolle Dokumente bedeutender Bauwerke fast aller Weltreligionen und ihres damaligen Zustandes. Dennoch spiegeln die Aufnahmen einen abendländischen Blick auf den Orient wider und sind somit als Ausdruck eines historischen Orientalismus zu lesen.[5]

Auf der hier gezeigten Fotografie des Fotostudios Wiele & Klein[6] sind einige der Gopuras (Torbauten) der Mīnāksī-Tempel zu sehen. Der Tempel, der sich in Madurai im südindischen Bundesstaat Tamil Nādu befindet, entstand während der Nāyak-Periode in der Mitte des 17. Jahrhunderts. Sie stellen die visuell wohl bedeutendsten Elemente der südindischen Tempelarchitektur dar. Die Gopuras stehen auf einem Sockel aus Granit, die darüber liegenden Stockwerke aus Ziegeln und bemaltem Stuck verjüngen sich zum Himmel. Gekrönt werden sie von einem Tonnengewölbe, śālā genannt, und riesigen yāli-Köpfen – Löwen mit Hörnern. Besonders beeindruckend ist der dichte und detailreiche Figurenschmuck, der die gesamte Oberfläche der Bauten bedeckt. Die Ikonographie der insgesamt auf etwa 33 Millionen geschätzten Skulpturen ist bis heute nicht vollständig erfasst.[7]

Von besonderem Interesse ist die Tatsache, dass das Kunsthistorische Institut über Fotografien aus dem Bereich der asiatischen Kunstgeschichte verfügt. Die inhaltliche Einordnung der Aufnahmen wird jedoch durch den europäischen Schwerpunkt des Faches ebenso erschwert. Leider ist nicht bekannt, warum und wie die Fotografien in die Sammlung gelangt sind, nur dass ihr Ursprung vermutlich in der Forschungsstelle für Orientalische Kunstgeschichte von Heinrich Lützeler liegt.[8]

Chiara Roggendorf 

 

Anmerkungen:

[1] Satzinger 2012, 5. Zu Biographie Lützelers siehe Klein 2018.

[2] Vgl. Klein 2018, 184; siehe auch: Oliver Kessler: Der Kunsthistoriker Heinrich Lützeler (1902–1988): „Denn der Buchstabe tötet, aber der Geist macht lebendig.“ Die Gründung der Forschungsstelle für Orientalische Kunstgeschichte und „Geisteswissenschaften heute“, in: Harald Meyer, Christine Schirrmacher, Ulrich Vollmer (Hrsg.): Die Bonner Orient- und Asienwissenschaften: Eine Geschichte in 22 Porträts. Gossenberg 2018.

[3] Zur Ausstellung siehe: Ägypten – Südindien – Heiliges Land – Türkei. Stationen einer Orientreise um 1900, hg. von Georg Satzinger (Ausst.-Kat. Bonn, Institut für Kunstgeschichte und Archäologie – Abteilung Kunstgeschichte, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, 20. Juni bis 12. Juli 2012), Bonn 2012.

[4] Thürlemann 2016, 7–11.

[5] Satzinger 2012, 6.

[6] Wiele und Klein eröffneten ihr Fotostudio um 1890 in Madras, das sich zu einem der bekanntesten Fotostudios Südindiens entwickelte. Das Unternehmen existierte in verschiedenen Formen und unter verschiedenen Eigentümern von den 1880er Jahren bis in die 1940er Jahre mit Studios u. a. in Madras (Chennai) und Bangalore (Bengaluru). Zum Fotostudio siehe Joachim K. Bautze: Wiele & Klein, Madras, in: Indo-Asiatische Zeitschrift 12 (2008), S. 89–103 (mit weitere Lit.).

[7] Isaeva 2012, 35.

[8] Satzinger 2021, 5.

 

Literatur: 

Ausst.-Kat. Bonn 2012
Ägypten – Südindien – Heiliges Land – Türkei. Stationen einer Orientreise um 1900, hg. von Georg Satzinger (Ausst.-Kat. Bonn, Institut für Kunstgeschichte und Archäologie – Abteilung Kunstgeschichte, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, 20. Juni bis 12. Juli 2012), Bonn 2012 

Isaeva 2012
Olga Isaeva: Kat. 20, in: Ausst.-Kat. Bonn 2012, 34f.

Klein 2018
Heijo Klein: Heinrich Lützeler (1902–1988), in: Roland Kanz (Hg.): Das Kunsthistorische Institut Bonn. Geschichte und Gelehrte, Berlin 2018, 177–191

Satzinger 2012
Georg Satzinger: Einleitung, in: Ausst.-Kat. Bonn 2012, S. 5–7.

Thürlemann 2016 
Felix Thürlemann: Das Haremsfenster. Zur fotografischen Eroberung Ägyptens im 19. Jahrhundert, München 2016

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