06. Mai 2025

Objekt des Monats Mai 2025 Objekt des Monats Mai 2025

Fotografie des Reduktionszirkels von Christoph Schissler sen.

Fotografie des Reduktionszirkels von Christoph Schissler sen.

Objekt des Monats Mai 2025
Objekt des Monats Mai 2025 - Fotografie des Reduktionszirkels von Christoph Schissler sen. © KHI Bonn
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Urheber:in der Fotografie: Unbekannt

Entstehungszeit der Aufnahme: Evtl. 1936

Technische Angaben: s/w-Abzug, 16,5 x 12,5 cm

Provenienz: Unbekannt

Inventarnummer: 421212

Kommentar:

Der 1580 vom Augsburger Instrumentenmacher Christoph Schissler Senior[1] hergestellte Reduktionszirkel ist eine spannende Kombination aus praktischem Werkzeug der Kunstproduktion und Kunstobjekt selbst. Seine Funktion bestand in der regelmäßigen Teilung und Skalierung von Maßen, Strecken und Kreisabschnitten, beispielsweise zur Bestimmung des Goldenen Schnitts. Zu diesem Zweck wurde er jahrhundertelang nicht nur von Kartographen und Architekten, sondern auch von Bildhauern und Künstlern (darunter Leonardo da Vinci) verwendet.[2] Wissenschaftliche und mathematische Geräte dienten dabei aber oft nicht (nur) ihrem eigentlichen Zweck, sondern auch der Repräsentation und dem Interesse ihrer Besitzer:innen – an der Wissenschaft ihrer Zeit, aber auch an der künstlerischen Ausführung und dem „Erlebniswert“.[3] Bei diesem reich verzierten und vergoldeten Reduktionszirkel wird der Charakter als Kunstobjekt durch die Anordnung der Inschriften und Skalen noch deutlicher: Diese sind wechselseitig angebracht, d.h. der Gebrauch des Instruments ist erschwert, dafür sind die Inschriften in jeder Lage besser lesbar[4]. In den fürstlichen und bürgerlichen Kunst- und Wunderkammern wurden neben Naturalia (kostbare Naturmaterialien wie Korallenäste und Muscheln), Artificialia (von Menschenhand geschaffene Objekte), Exotica (Ethnographica), Antiquitas (antike Münzen und andere Kostbarkeiten der Antike) und Mirabilia auch Scientificia (wissenschaftliche Geräte), zu ihrer Zeit oft neue technische Raffinessen, als Attraktion gesammelt und ausgestellt.[5]

Wann und in welchem Zusammenhang die in der Fotosammlung unter Edelmetalle inventarisierte Aufnahme hinzukam und verwendet wurde, lässt sich nicht mehr zweifelsfrei rekonstruieren. Denkbar wäre, dass sie mit der Schenkung Marc Rosenbergs 1930 in die Sammlung gelangte.[6] Die vorliegende Aufnahme lässt sich neben acht weiteren Instrumenten Schisslers im Bestand des Bildarchivs Foto Marburg nachweisen.[7] Auffällig ist, dass der Bildausschnitt des Bonner Abzuges größer ist als der des Marburger Bestandes – er kann also nicht vom Bonner Abzug, sondern allenfalls von einem dort vorhandenen Negativ erstellt worden sein.

Christen Gorny

 

Anmerkungen:

[1] Zur Geschichte der Instrumentenbauer C. Schissler senior und junior vgl. Bobinger 1954. Interessanterweise ist dies eines der ersten Instrumente, das explizit mit “senior” graviert ist, um es von den Arbeiten des Sohnes zu unterscheiden, vgl. ebd. S. 34.

[2] Die Entwicklungsgeschichte des Reduktionszirkels und seiner Weiterentwicklung ist in Prinz/Rocca 2023 gut dargestellt.

[3] Eine Einordnung Schisslers als Instrumentenbauer für Adel und Hof findet sich in Plaßmeyer 2009; anhand von Aufträgen und Korrespondenzen lässt sich nachvollziehen, wie einerseits die Hersteller versuchten, ihre Instrumente anzubieten, andererseits aber auch Herrscher diese aktiv erwarben, um sie zur Schau stellen zu können.

[4] Vgl. Bobinger 1954, S.46. Zudem gibt die kunstvolle Inschrift auch Anweisungen zur Verwendung.

[5] Zu Wunderkammern und deren Aufkommen im 16. Jhd. Vgl. Eming/Münkler 2022, S. 1–18.

[6] Hier fällt jedoch in Kombination mit der bei Foto Marburg nachgewiesenen Aufnahme auf, dass diese auf dem Karton handschriftlich mit dem Aufnahmedatum 1936 versehen ist, die Schenkung aber bereits 1930 erfolgte. Vgl. Droste/Mayer 2025, S. 25.

[7] Vgl. Bildindex Marburg, URL: https://www.bildindex.de/document/obj20461699 [Abruf 28.04.2025].

 

Literatur: 

Bobinger 1954
Maximilian Bobinger: Christoph Schissler. Der Ältere und der Jüngere (Schwäbische Geschichtsquellen und Forschungen 5), Augsburg 1954

Droste/Mayer 2025
Hilja Droste & Gernot Mayer: Instituts- und Fachgeschichte im Spiegel der Fotografie. Die Fotosammlung des Kunsthistorischen Instituts der Universität Bonn, in: Rundbrief Fotografie 32 (2025), Nr. 1, S. 22–34

Eming/Münkler 2022
Jutta Eming & Marina Münkler: Wunderkammern – Materialität, Narrativik und Institutionalisierung von Wissen, in: Jutta Eming, Marina Münkler Falk Quenstedt et al. (Hgg.): Wunderkammern. Materialität, Narrativik und Institutionalisierung von Wissen, Wiesbaden 2022, S. 1–18

Plaßmeyer 2009
Peter Plaßmeyer: Christoph Schissler. The Elector´s Dealer, in: Giorgio Strano, Stephen Johnston, Mara Miniati et al. (Hgg.): European Collections of Scientific Instruments 1550–1750 (History of Science and Medicine Libary 10), Leiden 2009, S. 15–26

Prinz/Rocca 2023
Ina Prinz & Patrick Rocca: Proportionalzirkel und seltene Mathematik- und Zeicheninstrumente des. 17. und 18. Jahrhunderts, Bonn 2023

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