Bibliotheksbestand & Forschung

Mit einem Bestand von ca. 150.000 Einzelbänden ist die Bibliothek für die kunsthistorische Forschung weit über das Rheinland hinaus eine zentrale Einrichtung. Neben aktueller Forschungsliteratur finden sich umfangreiche Sammlungen von Kunstliteratur der Frühen Neuzeit, Emblembücher, Faksimiles mittelalterlicher Handschriften, Mappenwerke etc. Die Bestände unserer Bibliothek spielen eine wichtige Rolle in Lehre und Forschung. Immer wieder finden Seminare und Übungen zu und mit unseren Büchern statt. Es hat Tradition in der Bibliothek des KHI, die Bücher zur Nutzung anzubieten, um den Studierenden auch Kenntnis ihrer Materialität zu vermitteln.

Eine Wissenschaftlerin und ein Wissenschaftler arbeiten hinter einer Glasfassade und mischen Chemikalien mit Großgeräten.
© Jean-Luc Ikelle-Matiba

Sammlungsschwerpunkte

Die Bibliothek des KHI wurde bereits im 19. Jahrhundert gegründet und seither kontinuierlich ausgebaut. Sie erhielt die Bücher aus dem älteren Zeichensaal der Universität und anderen Instituten, weshalb ihr Bestand auch deutlich ältere Bände beinhaltet. Im Laufe der über hundertjährigen Geschichte wurden auch immer wieder Teile von Privatbibliotheken bedeutender Kunsthistoriker*innen übernommen, u.a. von Carl Justi, Marc Rosenberg und Ludwig Schudt. Zusätzlich wurden für Lehrveranstaltungen häufig auch noch retrospektiv Werke der Kunstliteratur angeschafft. Ausstellungs- und Sammlungskataloge wurden schon immer durch Professor*innen auf Reisen und Exkursionen erworben, sodass das KHI auch über eine umfangreiche Sammlung sogen. grauer Literatur, die nicht über den Buchhandel vertrieben wurde, verfügt.

Den Forschungs- und Lehrschwerpunkten der Professuren entsprechend, wurde (und wird) beim Bestandsaufbau besonderes Augenmerk auf die Kunst des Mittelalters, der Neuzeit und der Moderne sowie auf die Kunst Italiens und der Niederlande gelegt.

Da bisher auf systematische Aussonderungen älterer Bestände verzichtet wurde, ist die Bibliothek des KHI einmalige Repräsentantin der Sammlungskultur des Faches Kunstgeschichte von seinen Anfängen bis zur Gegenwart. Die Bücher im Bestand werden teilweise seit über 150 Jahren in der universitären Lehre eingesetzt und zeigen entsprechend starke Spuren ihrer Gebrauchsgeschichte.

Sondersammlungen

Eine Wissenschaftlerin und ein Wissenschaftler arbeiten hinter einer Glasfassade und mischen Chemikalien mit Großgeräten.
© Maren Sieverding

Kunstliteratur & Emblembücher

Eine Sammlung von über 1.000 frühneuzeitlichen Texten über die Bildenden Künste wurde seit Bibliotheksgründung aufgebaut. Die ältesten Bücher datieren ins 16. Jahrhundert. Im Einzelnen ist der Bestand an Alten Drucken ganz unterschiedlicher Provenienz. Für Lehrveranstaltungen wurden z.B. in den 1950er Jahren gezielt fast 90 Emblembücher aus dem 16. bis 18. Jahrhundert erworben.

Eine Wissenschaftlerin und ein Wissenschaftler arbeiten hinter einer Glasfassade und mischen Chemikalien mit Großgeräten.
© Maren Sieverding

Faksimiles

Seit der Spätantike ist das blätterbare Buch Träger einer Vielfalt von Bildern und Bilderwelten, in denen sich Schrift und Bild vereinen. Zur Unterstützung der Lehre im Bereich mittelalterliche Buchmalerei hat das KHI eine umfangreiche Sammlung von Faksimiles angelegt. Zuletzt erhielten wir über 150 Bücher aus dem Nachlass von Hubert Willkomm und der Schenkung Viechtbauer.

Eine Wissenschaftlerin und ein Wissenschaftler arbeiten hinter einer Glasfassade und mischen Chemikalien mit Großgeräten.
© Maren Sieverding

Grafikmappen & Künstlerbücher

In der Bibliothek des KHI finden sich nicht nur Bücher über Kunst, sondern tatsächlich auch einige Kunstwerke. Dabei handelt es sich vor allem um Sammlungen von Druckgrafik aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. George Grosz, Wassily Kandinsky oder Alfred Kubin sind vertreten. Gerade erst im Aufbau begriffen ist zudem eine Sammlung von Künstlerbüchern zeitgenössischer Künstler*innen.

Bibliotheksgeschichte

Mit Carl Justi (1832-1912) begann ab 1872 der Aufbau eines eigentlichen Seminarapparates im Fach Kunstgeschichte an der Universität Bonn, d.h. auch der Bibliothek. Besonders verdient machte sich aber erst sein Nachfolger Paul Clemen (1866-1947) um den kontinuierlichen Ausbau des Buchbestands. Seit 1913 war die Bibliothek als Teil des Instituts im ehemaligen buen-retiro-Flügel des kurfürstlichen Schlosses untergebracht.

Der Buchbestand wuchs während der Amtszeit Clemens auf mehr als 15.000 Titel und etliche Zeitschriftenbände an. Die ersten umfassenden Kataloge wurden ab 1916 erstellt, als bereits die Aufstellung nach einer hauseigenen Systematik erfolgte. Schon zu dieser Zeit lag die Leitung der Bibliothek in den Händen einer wissenschaftlichen Assistent*in des KHI, woran bis heute festgehalten wird.

Beinahe alle Bücher überstanden den Zweiten Weltkrieg unbeschadet in einem Keller des Schlosses, wohin sie bereits 1941 ausgelagert worden waren. Im Oktober 1944 wurde das kurfürstliche Schloss Opfer eines schweren alliierten Bombenangriffs. Erst 1952 zog die Bibliothek zurück in die wiedererrichteten Räume im ehemaligen buen-retiro-Flügel, wo auf ihren damaligen Umfang abgestimmte Einbauregale fortan die Bücher beherbergten. Um 1950 wurde auch die heute noch verwendete Aufstellungssystematik erdacht.

Im Frühjahr 2023 musste die Bibliothek aufgrund der bevorstehenden Kernsanierung das Schloss verlassen und bezog ihren jetzigen Standort im Interim in der Rabinstraße 8.

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© KHI Bonn

Bericht über den Bibliotheksumzug 2023

Bibliotheksumzug

Provenienzforschung

In der Zeit des Nationalsozialismus wuchs der Bestand der Bibliothek des KHI um ca. 8000 Bände. Maßgeblich verantwortlich war dafür der 1935 als Ordinarius für Kunstgeschichte in Bonn eingesetzte Alfred Stange (1894-1968), ein wichtiger Akteur der NS-Kulturpolitik im Rheinland. Sein Engagement für den Ausbau der Bibliothek ist in den Akten des KHI und im Inventarbuch dokumentiert. Es ist daher wahrscheinlich, dass sich NS-verfolgungsbedingt entzogenes Kulturgut in unserem Bestand befindet. In einer Übung im SoSe2021 konnten Studierende des Masterstudiengangs Provenienzforschung und Geschichte des Sammelns unter Anleitung von Jun.-Prof. Dr. Ulrike Saß und Constanze Keilholz einigen Verdachtsmomenten nachgehen und sie erhärten. Konkrete Rekonstruktionen von Provenienzen einzelner Bücher stehen bisher jedoch aus.
Die Bibliothek des KHI möchte aufgrund der problematischen Institutsgeschichte in der NS-Zeit ihre Eingänge aus den Jahren 1933 bis 1949 vollständig und systematisch aufarbeiten. Durch die Rekonstruktion und Sichtbarmachung der Erwerbungsstrategien möchten wir Verantwortung übernehmen. Wo Unrechtskontexte nachweisbar vorliegen, streben wir nach fairen und gerechten Lösungen im Sinne der Washingtoner Prinzipien.

Projekte zur Bestandserhaltung

Verpackung von Heften & Broschuren

Die Bibliothek des KHI verfügt etwa über 20.000 kleine Hefte und dünne Broschuren, darunter z.B. Kataloge, die durch Professor*innen auf Reisen und Exkursionen erworben wurden, teilweise aus dem Ausland stammen und oftmals nicht über den Buchhandel vertrieben wurden. Über Jahrzehnte wurden diese entsprechend der Haussystematik zwischen großen Bänden – teils schweren Katalogen, die gleichfalls nur Softcover-Einbände haben - aufgestellt. Hefte konnten zwischen die Regale fallen, zerknicken oder sogar Einbände und einzelne Seiten verlieren. Zu Konservierungszwecken wurden jene dünnen Hefte daher in alterungsbeständigen Stehsammlern mit Schubern untergebracht. Um Handlungsbedarfe für zukünftige Restaurierungsmaßnahmen in einer Datenbank zu erfassen, wurden die separierten Bestände auch auf ihren Erhaltungszustand hin untersucht. Die Hefte in ihren Stehsammlern befinden sich nun im geschlossenen Magazin und werden auf Bestellung von geschulten Mitarbeiter*innen ausgehoben.

Das Projekt führte Constanze Keilholz gemeinsam mit den studentischen Hilfskräften Anna Gehri, Evelin Ritter und Leonard Borowski durch. Gefördert wurde es durch die Bundesbeauftragte für Kultur und Medien (BKM) sowie das Ministerium für Kultur und Wissenschaft NRW und die Koordinierungsstelle für die Erhaltung des schriftlichen Kulturguts (KEK).

Boxen
© Maren Sieverding

Restaurierungspraktikum mit Studierenden der TH Köln

In Kooperation mit dem Cologne Institute of Conservation Sciences der TH Köln wurde zur Vorbereitung des Umzugs in die Rabinstraße im Sommer 2022 ein vierwöchiges Praktikum für Studierende des Instituts für Restaurierungs- und Konservierungswissenschaft angeboten. Es sollten defekte Werke im Bestand erkannt und „notversorgt“ werden. Im Fokus standen dabei großformatige Bücher, Mappen mit Kunstdrucken und Zeitschriftenbände, mehrheitlich mit einem Erscheinungsjahr zwischen 1850 und 1940. Vier Praktikantinnen haben gemeinsam mit Hilfskräften und Bibliothekar*innen des KHI etwa 2300 Folianten und 700 historische Zeitschriftenbände kontrolliert und gereinigt. Verpackungen und Reparaturen wurden an etwa 15% des Bestands durchgeführt und die Arbeiten ebenso wie weitere Schäden für eine spätere Maßnahme in einer Datenbank dokumentiert. Neben der praktischen Übung diente das Projekt auch dem Austausch zwischen Studierenden verschiedener Restuarierungswissenschaften und jenen der Kunstgeschichte.

Das Projekt führte Constanze Keilholz gemeinsam mit Prof. Dr. Andrea Pataki Hundt (TH Köln) durch.

Restaurierung
© Maren Sieverding

Ausstellung: Kandinsky im KHI!

Zum 100. Publikationsjubiläum der Grafikmappe Kleine Welten von Wassily Kandinsky zeigt das Kunsthistorische Institut vom 14. Oktober bis 13. Dezember 2022 diese und weitere zeitgenössische Grafikmappen aus seiner Bibliothek.

„Kleine Welten“: Kandinsky im Kunsthistorischen Institut

Anlässlich der Hundertjahrfeier des Kunsthistorischen Instituts der Universität Bonn fand 1972 eine Ausstellung der Grafikmappe Kleine Welten von Wassily Kandinsky (1866–1944) in den Räumen des Instituts im kurfürstlichen Residenzschloss statt. Heute – wiederum 50 Jahre später – präsentiert das KHI zum 100. Geburtstag der Kleinen Welten abermals die Grafiken aus seiner Bibliothek. 1922 gedruckt in der Graphischen Druckerei des Staatlichen Bauhauses in Weimar, gelten die zwölf signierten Druckgrafiken als Höhepunkt von Kandinskys grafischem Lebenswerk. Doch wie kommt die Grafikmappe in die Bibliothek des KHI?

Die Kleinen Welten wurden am 15. Juli 1938 gemeinsam mit vier weiteren grafischen Folgen in der Bibliothek des Kunsthistorischen Instituts inventarisiert. Für gerade einmal zehn Reichsmark, also deutlich unter Wert, war das gesamte Konvolut bei der Bonner Buchhandlung Ludwig Röhrscheid erworben worden. Dabei waren die Künstler Wassily Kandinsky, Otto Schoff (1884–1938) und Otto Lange (1879–1944) von der NS-Femekampagne „Entartete Kunst“ betroffen. Warum erwarb das KHI also unter der Leitung des bekennender Nationalsozialisten Alfred Stange (1894–1968) diese Mappen? Ungeklärt bleibt vorerst auch, aus welchen Quellen die Buchhandlung Ludwig Röhrscheid die Werke bezogen hatte, bevor sie diese an das KHI weiterverkaufte. Handelt es sich möglicherweise um NS-Raubgut? Waren es etwa jüdische Vorbesitzer*innen, die sich unter dem Druck der NS-Verfolgung von ihrem Eigentum trennen mussten? Auch dafür gibt es bislang keine Indizien, ausgeschlossen werden kann es jedoch nicht. Die Ausstellung versteht sich insofern als Auftakt zur Erforschung der Erwerbungsstrategien und Provenienzen seiner Bibliothek zur NS-Zeit, deren problematische Geschichte hier sichtbar werden soll.

Weiterhin lädt die Ausstellung dazu ein, das Hauptwerk Kandinskys mit den zeitgenössischen Mappenwerken auch auf künstlerischer Ebene zu vergleichen, scheinen sie doch auf den ersten Blick völlig verschieden zu sein: erotische Badeszenen aus Berlin-Wannsee, Südsee-Eindrücke, wilde Tiere und die Sammlung Krieg und Kunst von 1915 mit ihren dokumentarisch bis kritischen Auseinandersetzungen mit dem Ersten Weltkrieg. Tatsächlich sind sie alle Zeugnis spezifischer Reaktionen auf diesen und standen mit ihren vielschichtig-ambivalenten Bildern im Gegensatz zur eindimensionalen Verwertung des Ersten Weltkriegs in der NS-Propaganda.

Kuratiert wurde die Ausstellung von Prof. Dr. Christoph Zuschlag, Constanze Keilholz und Dr. Timo Hagen. Wir danken für die freundliche Unterstützung durch das LVR-LandesMuseum Bonn.


Ihre hervorragende Sammlung verdankt die Bibliothek auch großzügiger Förderung

Freunde & Förderer des KHI

Bereits seit 1914 unterstützt die Vereinigung von Freunden des Kunsthistorischen Instituts der Universität Bonn die Erwerbungen der Bibliothek in beträchtlichem Umfang. Der von Paul Clemen gegründete Verein ist durch seinen erheblichen Beitrag zum Erwerbungsetat maßgeblich am Aufbau der einzigartigen Bibliothek des KHI beteiligt.

Gielen-Leyendecker-Stiftung

Die Stiftung fördert das Kunsthistorische Institut seit 1994 jährlich mit großzügigen Zuwendungen für den Bücherankauf.

Dr. Dieter Groll

Das KHI wird kontinuierlich mit umfangreichen Buchspenden von Dr. Dieter Groll gefördert, u.a. zur Nachkriegskunst, Künstlerbüchern sowie Publikationen zum Jugenstil. Die Provenienz ist an den verschiedenen Ex-libris erkennbar.


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