02. Dezember 2025

Objekt des Monats Dezember 2025 Objekt des Monats Dezember 2025

Auf das Gutachten gut achten – Zur Datierung einer Fotografie aus der Fotosammlung des Kunsthistorischen Instituts

Auf das Gutachten gut achten – Zur Datierung einer Fotografie aus der Fotosammlung des Kunsthistorischen Instituts 

Eine Fotografie des Porträts Damas van der Lindt van Dordrecht von Jacob van Utrecht
Eine Fotografie des Porträts Damas van der Lindt van Dordrecht von Jacob van Utrecht © KHIBonn
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Eine Fotografie des Porträts Damas van der Lindt van Dordrecht von Jacob van Utrecht

Urheber*in der Fotografie: unbekannt 

Entstehungszeit der Aufnahme: zwischen 1930–1945

Technische Angaben: s/w-Abzug, 28,7 x 20,5 cm (Bildmaß), 32 x 24,1 cm (Blattmaß)

Provenienz: unbekannt

Inventarnummer: 389193

Kommentar:
Es ist erstaunlich wie viel Geschichte aus einer einzelnen Fotografie hervorgehen kann, genauso aber auch wie viel weiterhin im Verborgenen bleibt. Nicht nur der Abzug selbst, sondern auch alle weiteren Bemerkungen, Beschriftungen und Beigaben geben einen Einblick in die Vergangenheit. Die Fotosammlung des Kunsthistorischen Instituts der Universität Bonn beherbergt circa 100.000 Schwarz-Weiß-Abzüge,[1] wozu auch eine Fotografie eines Porträts von Damas van der Lindt van Dordrecht (1525–1588) gehört. Das Porträt wurde 1531 vom niederländischen Künstler Jacob van Utrecht (Lebensdaten unbekannt) angefertigt.[2] Auf der Vorderseite des Fotokartons sind neben dem Schwarz- Weiß-Abzug noch weitere handschriftliche Informationen zu dem Porträt sowie die aktuelle Inventarnummer, welches die jüngste Ergänzung auf dem Karton ist. Auf der Rückseite wurde ein maschinell abgetippter Brief aufgeklebt. Wie jeder Abzug aus der Fotosammlung des Kunsthistorischen Instituts stellt sich auch bei dieser Fotografie die Frage einer Einordnung innerhalb der Institutsgeschichte und dessen Hintergrund. Wann und wofür wurde die Fotografie genutzt? Welche Momentaufnahme in der Geschichte hält der Fotokarton fest? Hierfür bedarf es einen genaueren Blick auf den gesamten Karton, um diesen Fragen nachgehen zu können.

Um den gesamten Karton mit all seinen (hand-)schriftlichen Ergänzungen als Dokumentation seiner Zeit bewerten zu können, bewegt sich der Fokus der Recherche von der Fotografie des Porträts hin zu dessen handschriftlich festgehaltener Ortsangabe „Heinemann, München“ rechts unterm Foto. Die Galerie Heinemann erwarb das Gemälde im Jahr 1928 und behielt es bis 1938 in ihrem Besitz.[3] Im Rahmen der Emigrationsvorbereitungen der jüdischen Inhaberin Franziska Heinemann (1882–1940) und des damit verbundenen Verkaufs der Galerie im Zuge ihrer „Arisierung“ an Friedrich Heinrich Zinckgraf (1878–1954) im Jahr 1938 ist es denkbar, dass das niederländische Gemälde Teil dieses Verkaufs war.[4] Das Gemälde gelangte 1945 in den Besitz der nationalsozialistischen Organisation Kameradschaft der Künstler.[5] Jedoch bleibt der weitere Weg wie auch der aktuelle Verbleib des Gemäldes trotz digitalisierter Rekonstitutionskarten unklar. Trotz dessen lässt sich aus diesen Informationen bereits eine erste zeitliche Einordnung des Fotokartons innerhalb des Kunsthistorische Instituts erschließen.

Zur weiteren Eingrenzung des Zeitraums zwischen 1928 und 1938 bietet die Rückseite des Kartons mit dem maschinell getippten Brief einen vielversprechenden Anhaltspunkt für weiterführende Recherchen. Dieser Brief wurde am im März 1927 von H. Schneider an das Kabinet van Schilderijen des Mauritshuis gesendet und beinhaltet eine Begründung anhand der Heraldik im Porträt, dass es sich bei der Person im Gemälde um Damas van der Lindt of Dordrecht handelt. Hierbei handelt es sich um den Brief des Gutachters Hans Schneider (1888–1953).[6] Sein Gutachten zum Gemälde von Jacob Van Utrecht wurde erstmals in einer Anzeige der Maiausgabe 1930 des Burlington Magazine veröffentlicht.[7] Dadurch lässt sich die weitere zeitliche Einordnung des Fotokarton auf die Zeitspanne zwischen 1930 und 1938 eingrenzen.

Die Chroniken und Berichten der Universität Bonn beschreiben, dass in dem Berichtsjahr 1935/1936 etwa 20.000 Fotografien auf Karton aufgezogen wurden,[8] wodurch die Vermutung nahe liegt, dass die vorliegende Pappe mitsamt Fotografie und Gutachterbrief auch in diesem Zeitraum entstand. Da es keine Hinweise zu möglichen Veröffentlichungsvorhaben oder ähnlichen gibt, könnte es sich beim Nutzen des Fotokartons am Institut für klassische Bildthemen wie die Porträtzeichnung oder die niederländische Kunst handeln. Für eine Nutzung innerhalb der Lehre würde auch die Größe des Fotokartons sprechen.

Trotz einer zeitlich eingrenzenden Einordnung auf acht Jahre anhand der Informationen aus den Beschriftungen des Fotokartons, bleiben weitere Fragen offen. Vermutlich könnte die Fotografie im Rahmen des Nachlass von Paul Schubring 1935 in die Sammlung des Kunsthistorischen Instituts gekommen sein.[9] Ob das Werk jedoch als Bildmaterial für Kurse zur niederländischen Kunst diente oder ob der Interessenfokus von Anfang an dem Gutachter Hans Schneider lag, bleibt unklar. Auch wenn nicht alle Fragen geklärt werden konnten, ermöglicht der Fotokarton einen aufschlussreichen Blick in die Vergangenheit. Welche weiteren Geschichten in den übrigen Kartons verborgen liegen und welche für immer im Dunkeln bleiben, ist Teil dessen, was Forschung so faszinierend macht.

Sophie Prill 
 
Anmerkungen:
[1] Vgl. Droste/Mayer 2025, S. 22.

[2] Es gibt verschiedene Schreibweisen und Namen desselben Künstlers. Auf dem Karton selbst werden die Namensversionen Jakob van Utrecht und Jacobus Trajektensis genutzt. Siehe hierzu vgl. Wurzbach 1906, S. 284.

[3] Vgl. Galerie Heinemann, Kunstwerk-ID: 11622, URL: http://heine-mann.gnm.de/de/kunstwerk-11622.htm [Abruf: 28.06.2025].

[4] Vgl. Heuss 2012, S. 86.

[5] Vgl. Deutsches Historisches Museum, Münchener Nr.: 4042, Linz-Nr. (laut DB Son- derauftrag  Linz): 2552, URL: https://www.dhm.de/daten- bank/ccp/dhm_ccp.php?seite=6&fld_1=4042&fld_3=&aus- wahl=6&fld_4=&fld_4a=&fld_5=&fld_6=&fld_7=&fld_8=&fld_9=&fld_10=&su- chen=Suchen [Abruf: 28.06.2025].

[6] Vgl. Galerie Heinemann, Kunstwerk-ID: 11622, Kartei verkaufte Bilder, URL: http://heinemann.gnm.de/de/kunstwerk-11622.htm [Abruf: 29.06.2025].

[7] Burlington Magazine 1930, Anzeige der Galerie Heinemann auf S. 1.

[8] Vgl. Chronik der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Bonn 1937, S. 63.

[9] Ebd.

Literaturverzeichnis:

Burlington Magazine 1930
The Burlington Magazine for Connoisseurs, Vol. 56, Nr. 326 (1930)

Deutsches Historisches Museum
Deutsches Historisches Museum, „Central Collecting Point München“, Datenbank, URL: https://www.dhm.de/datenbank/ccp/dhm_ccp.php?seite=9 [Abruf: 01.07.2025]

Droste/Mayer 2025
Droste, Hilja; Mayer, Gernot: Instituts- und Fachgeschichte im Spiegel der Fotografie. Die Fotosammlung des Kunsthistorischen Instituts der Universität Bonn, in: Rundbrief Fotografie 32 (2025), Nr. 1, S. 22–34

Galerie Heinemann
Galerie Heinemann, Datenbank, URL: https://heinemann.gnm.de/de/willkommen.html [Abruf: 29.06.2025]

Heuss 2012
Heuss, Anja: Friedrich Heinrich Zinckgraf und die "Arisierung" der Galerie Heinemann in München, in: Anzeiger des Germanischen Nationalmuseums 2012, S. 85–94

Chronik der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Bonn 1937
Chronik des Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Bonn, Jg. 61, 1937

Wurzbach 1906
Wurzbach, Alfreed von: Niederländisches Künstlerlexikon. Mit mehr als 3000 Monogrammen, Bd. 1: A – K, Amsterdam 1906

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